Songs mit eigenständigem Charakter
David Evans
Lonesome Midnight Dream
(Blind Lemon Records, 48:33)
Darüber, ob Country- oder Delta-Blues mehr als achtzig Jahre nach seiner Blütezeit und somit auch fernab seiner soziokulturellen Wurzeln auch heute noch authentisch klingen kann oder gar sollte, kann man trefflich streiten. Zumindest Ersteres muss man mit Blick auf das Album „Lonesome Midnight Dream“ bejahen, denn David Evans hat nicht nur als Gitarrist, sondern – und das ist selten – auch als Sänger all jene für traditionellen Blues charakteristischen Nuancen so sehr verinnerlicht, dass seine Songs einzig durch bessere Soundqualität von frühen Aufnahmen der 20er- und 30er-Jahre zu unterscheiden sind. Das verwundert kaum, denn der 1944 geborene Amerikaner, der in jungen Jahren zahlreiche alte Musiker interviewte und später Bücher und Fachartikel veröffentlichte, zählt heute zu den renommiertesten Bluesforschern. Mit seiner heiseren Stimme orientiert er sich nicht an Shoutern wie Charley Patton oder Son House, sondern ist irgendwo zwischen Sam Chatmon und Joe Callicott anzusiedeln. Sowohl die elf Interpretationen alter Titel (darunter Songs von Tommy Johnson, Yank Rachell und traditionelle Spirituals) als auch eine Eigenkomposition weisen trotz ihres eigenständigen Charakters ein hohes Maß an Authentizität auf. Gastauftritte von Axel Küstner (hca), Tom Shaka (gtr, mand) und Lise Hanick (vcl, dms) sorgen für zusätzliche Dynamik.
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