Rory Block
Power Women Of The Blues
In der Vergangenheit hat die Country- und Delta-Blues-Ikone Rory Block vielfach männlichen Mentoren wie Son House, Bukka White und Mississippi John Hurt musikalischen Tribut gezollt. Nun schlägt die amerikanische Musikerin mit ihrer neuen „Power Women Of The Blues“-Reihe ein neues Kapitel auf und zollt zum Auftakt der Bluessängerin Bessie Smith Tribut.
Man mag es ihr nicht ansehen, doch die Geschichte der 1949 in Maryland, New Jersey, geborenen Sängerin und Gitarristin Aurora „Rory“ Block reicht in eine Zeit zurück, als die Pioniere des Country-Blues zwar schon fast vergessen waren, aber Schwarze und Weiße noch immer durch Wohnviertel, Gesetze und nicht zuletzt durch allgegenwärtigen Rassismus getrennt zumeist in gänzlich unterschiedlichen Welten lebten. Es ist die Zeit der Beatniks, jener Intellektuellen, die in der Gegenwartsliteratur die Freiheit suchten, die ihnen der damalige konservative Zeitgeist verwehrte. Und es ist die Zeit jener jungen weißen Generation, die den Rock’n’Roll als Ausdruck ihrer Rebellion entdeckte und sich zunehmend auch für die Urheber dieser Musik und deren soziokulturellen Hintergrund zu interessieren begannen. Eine Zeit also, die den Grundstein für das Blues-Revival der sowohl musikalisch als auch gesellschaftlich wilden 60er-Jahre legte.
Musik im Sandalenladen des Vaters
Bereits als Greenwich Village noch ein beschaulicher und kulturell vergleichsweise unbedeutender Stadtteil des New Yorker Bezirks Manhattan war, hatte Rory Blocks Vater dort einen auf Sandalen spezialisierten Laden, der die Musikgeschichte weitaus mehr beeinflussen sollte als die damalige Schuhmode. Der entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem beliebten Treffpunkt für Folkmusiker, in dem so manche Session gespielt wurde. Sogar auf einen Besuch des jungen Bob Dylan, der noch am Anfang seiner bis heute währenden Weltkarriere stand, kann Block zurückblicken. „Musik war unsere Familientradition, wir alle spielten Instrumente und sangen“, antwortet sie auf die Frage, ob sie in diesem Umfeld denn je die Wahl hatte, keine Musikerin zu werden. „Daher schien es nie so, als müsste ich eine Entscheidung treffen. Es ist eher so, dass keine Musik zu machen eine bewusste Entscheidung erfordert hätte.“
Blues-Initialzündung durch Stefan Grossman
Die Initialzündung, bereits im jungen Alter von vierzehn Jahren ein besonderes Interesse für den rauen, bisweilen gar derben Delta-Blues zu entwickeln, kam jedoch von dem 1945 in New York geborenen Gitarristen Stefan Grossman, den deutsche Bluesgitarristen vor allem durch sein umfangreiches Lehrmaterial kennen dürften. Grossman hatte zuvor ebenfalls in sehr jungen Jahren seine Leidenschaft für den schwarzen Blues entdeckt und begonnen, sich für den Verbleib der alten Künstler zu interessieren. Rory Block begegnete ihm erstmals im unweit vom väterlichen Geschäft gelegenen Washington Square Park, wo er mit seiner Gitarre gerade einen Ragtime spielte. Grossman schenkte der jungen Musikerin die LP „Really The Country Blues“, die unter anderem Aufnahmen von Skip James und Son House enthält. Kaum ein Jahr später riss Rory Block von zu Hause aus, um noch lebende Bluesmusiker der ersten Schallplattengeneration zu besuchen und deren Gitarrenstil zu studieren.
- Dirk Funke (Auszug aus dem Interview in bluesnews 95)