Konstantin Kolesnichenko
Ein Bluesalbum im Schatten des Krieges
Der ukrainische Harpspieler Konstantin Kolesnichenko hat bislang fünf Jazz- und Bluesalben veröffentlicht, von denen je eines den Euromaidan-Protesten und den Opfern der seit 2014 von Russland ausgehenden Aggressionen gewidmet ist. Mit seinem neuesten Werk zollt er auf hörenswerte Weise George „Harmonica“ Smith Tribut.
Einige blasse Spuren führen zurück zu obskuren Bands der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre, doch eine richtige Tradition hat der Blues in der Ukraine nicht. Vielmehr waren es Musiker und Bluesenthusiasten wie beispielsweise Max Tavrichesky, die Konzerte und Festivals auf die Beine stellten, mit denen auch internationale Musiker wie Bob Margolin, Guy Davis, John Németh, Keith Dunn oder Big Creek Slim in die Ukraine kamen. „Die ukrainische Bluesszene ist klein und wir kennen uns untereinander sehr gut“, berichtet der 1983 in Dnipro geborene Harpspieler Konstantin Kolesnichenko im bluesnews-Interview. „Hier in der Stadt gibt es genau zwei Bluesbands. Die seit ungefähr 16 Jahren aktive Bullet Blues Band, deren Gründer und Mundharmonikaspieler bin ich. Die zweite Band wurde von unserem Bassisten gegründet.“
Bis vor dem großen Krieg, wie Kolesnichenko die Situation mit Blick auf die vorangegangenen russischen Aggressionen nennt, habe es in Dnipro noch regelmäßige Blues- und Jazzsessions gegeben. Seither bröckeln unter der ständigen Bedrohung durch Drohnen und Raketen zunehmend auch die Grundlagen der Musikszene. „Mir persönlich geht es noch vergleichsweise gut. Ich bin am Leben und bei meiner Familie, aber psychisch sind wir hier alle betroffen, traurig und deprimiert“, fasst der Ukrainer die Stimmung in seiner Heimatstadt zusammen.
Die rund eine Million Einwohner zählende Metropole liegt rund 400 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Kiew. Dass Kultur- und Nachtleben unter dem Krieg leiden, liegt auf der Hand. „Meine Musikkarriere liegt mittlerweile auf Eis. Einige meiner Bandmitglieder sind in andere Städte gezogen, andere sind in der Armee und einige auch im Ausland“, erklärt Kolesnichenko. „Serhii Artemov, der auf meinem jüngsten Album den Bass gespielt hat, starb in der Nähe von Bakhmut an der Front. Er war ein verdammt netter Mensch und ein sehr talentierter Musiker. Und er war noch so jung.“ Zu Beginn des Krieges habe er durchschnittlich einen Auftritt pro Monat gespielt, so der Harpspieler. „Wir haben damit meistens Geld für die Armee gesammelt. Diese Auftritte sind aber nicht mehr so besucht wie früher. Mein letzter Auftritt war im Dezember 2023. Soweit ich weiß, ist die Situation in Kiew und im westlichen Teil des Landes derzeit deutlich besser.“
Auszug aus dem Interview in bluesnews 118.
- Dirk Funke
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