Franck Goldwasser
Die Zukunft des Blues liegt in Europa
So ändern sich die Zeiten: Vor rund 40 Jahren zog es Franck Goldwasser ins Mutterland des Blues, heute sieht er dessen Zukunft allein in der alten Heimat Europa. Mit der aus einer Not heraus geborenen CD „Going Back To Paris – The Paris Slim Mountain Top Sessions 1998–1999“ gewährt der Gitarrist und Sänger Einblicke in die eigene Vergangenheit.
Franck Goldwasser, der bis um den Jahrtausendwechsel herum unter dem Spitznamen Paris Slim in Erscheinung trat, hat mit unzähligen Bluesgrößen zusammengearbeitet. Zwar war er an zahlreichen Studioprojekten anderer Künstler beteiligt, doch für einen Musiker seines Könnens erscheinen lediglich acht Alben unter eigenem Namen (bzw. unter Paris Slim) angesichts einer 40-jährigen Karriere vergleichsweise wenig. Das Label Bear Family Records bezeichnet ihn gar als einen stets unterschätzten Bluesmusiker.
„Ich bin kein sehr proaktiver Mensch. Eine andere Art, dies auszudrücken, ist, dass ich faul bin. Ich mache ungern Arbeit, die ich nicht mag. Musik machen: ja. Songs schreiben: ja. Plattencover entwerfen: ja. Mich selbst promoten: nicht wirklich“, so Goldwasser im bluesnews-Interview. „Ich konnte nur aufnehmen, wenn jemand mit Geld kam und sagte, ,du machst eine neue Platte und ich bezahle dafür‘. Dieses Szenario mag früher einmal typisch gewesen sein, aber heutzutage passiert das nicht mehr sehr oft. Weil ich nicht proaktiv bin, stelle ich mich nicht ins Rampenlicht. Und weil ich nicht im Rampenlicht stehe, scheinen die Menschen zu vergessen, dass es mich gibt.“
Ein alter schwarzer Mann stand am Bett
1960 in Paris geboren, kam Goldwasser über das musikalische Interesse seines Vaters bereits in sehr jungen Jahren mit traditioneller amerikanischer Musik in Berührung. Doch da er mit Begeisterung zeichnete, schien es erst einmal selbstverständlich, dass auch sein Berufsweg in diese Richtung führen würde. „Ich war ein isolierter Teenager, hatte keine Freunde, und alle in der Schule hielten mich für einen Spinner und Streber. Ich war schlecht in Sport, hatte Angst vor Mädchen, aber ich konnte gut zeichnen und war gut in Englisch, weil mein Vater es mir beigebracht hatte“, erinnert er sich.
Dann jedoch betrat er nach der Schule erstmals einen kleinen Plattenladen, der schon zuvor sein Interesse geweckt hatte. „Dort hatten sie nur zwei Bluesplatten zur Auswahl. Die eine hatte einen alten Mann mit einer Akustikgitarre auf dem Cover, die andere einen mit einer E-Gitarre, für die ich mich entschied. Als ich nach Hause kam, legte ich sie auf, aber es machte erst einmal gar nichts mit mir. Ich glaube, ich habe mir die Platte nicht einmal ganz angehört, bevor ich sie weglegte und für Wochen vergaß.“
Erst nachdem Goldwasser eines Nachts von einem älteren schwarzen Mann geträumt hatte, der mit einem breiten Grinsen im Gesicht am Ende seines Bettes saß, hörte er sich die LP, ein Album von Hound Dog Taylor, erneut an. Nun fand er plötzlich Gefallen am Blues. Es folgten einige Gitarrenstunden bei dem französischen Country-Musiker Marcel Dadi, bevor er mit 16 Jahren begann, über Schallplatten eigenständig die Stile von T-Bone Walker, B.B. King und Elmore James zu erlernen. „Die Intensität, die Kraft und Freiheit der Musik hat bei mir Widerhall gefunden und ich identifizierte mich mit den unterdrückten Leuten, die diese Musik machten. Ich komme aus einer jüdischen Familie, die Verfolgung am eigenen Leib erfahren hat.“
- Dirk Funke
- Auszug aus dem Interview in bluesnews 106
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